Gmunden: 55 Gebäude nach Erdrutsch geräumt
Knapp 70 Personen in Ausweichquartieren - Touristen lassen sich nicht abschrecken, Stimmung unter Betroffenen gedrückt
Linz - Nach dem Erdrutsch in Gmunden, der 55 Häuser bedroht, waren am Montag die Experten am Zug. Mit der Umleitung von Bächen und mit dem Abgraben von Erdmaterial hofft man, die Bewegung des Schuttkegels stoppen zu können. Knapp 70 Menschen mussten bereits ihre Häuser verlassen und in Pensionen oder bei Verwandten Unterschlupf suchen.
Mit einer 140 Meter tiefen Bohrung wollen sich die Geologen ein Bild von den Vorgängen im Inneren des Schuttkegels im "Gschliefgraben" verschaffen. Mit Unterwasserkameras wird versucht herauszufinden, ob bereits Material in den Traunsee eingetragen worden ist. Laufend werden Häuser vermessen, der Vergleich der Daten soll zeigen, wie sehr der Untergrund in Bewegung ist. Mit einem Computermodell prüfen die Experten, wie viel Schutt man abtragen müsste, um einen stabilisierenden Effekt zu erzielen. Ergebnisse der laufenden Untersuchungen werden für Dienstag bzw. Mittwoch erwartet.
Keine Vorhersagen möglich
Wie lange es dauern wird, bis sich die Situation wieder entspannt, war am Montag noch völlig unklar. Vorhersagen seien derzeit "unseriös", sagte der Geologe Peter Baumgartner. Das Erdreich bewege sich "gemächlich". Am Montag seien zwar keine neuen Schuttmassen nachgekommen, laufende Messungen seien aber nötig, um die Entwicklung zu beurteilen, hieß es.
Die Stadt bereitet sich inzwischen darauf vor, Öltanks leerzupumpen oder Wasserleitungen zu sperren, sollte unmittelbare Gefahr bestehen. Die Uferstraße wurde abgeriegelt. Für all jene, die sonst vom Rest der Stadt abgeschnitten wären, wurde am Montag eine Bootsverbindung eingerichtet. Oberste Priorität habe die Sicherheit der rund 70 Menschen, die derzeit im Gschliefgraben arbeiten, betonte Bürgermeister Heinz Köppl. Sollte für sei Gefahr bestehen, müssten die Aufräumarbeiten abgebrochen werden.
Das Ausmaß der Erdbewegung liegt weit über der hundertjährlichen Wiederkehr und überraschte selbst die Experten. Die Instabilität im Gschliefgraben in Gmunden war seit langem bekannt, dennoch ist das Gebiet bebaut. Es handelt sich um historisches Wohngebiet. In den 1970er Jahren wurde ein Gefahrenzonenplan erstellt. Dieser sei korrekt eingehalten worden, hieß es am Montag aus dem Büro des für Katastrophenschutz zuständigen Landesrates Josef Stockinger. Er stellte für den Fall einer dauerhaften Gefährdung auch eine Absiedelung in Aussicht.
Zwischen Depression und Hoffnung
Im betroffenen Gebiet herrschte am Montag eine Stimmung zwischen Depression und Hoffnung. Die Ungewissheit, ob jemals eine Rückkehr in die evakuierten Häuser möglich sein, lag bedrückend auf den Menschen, viele wollten aber die Hoffnung nicht aufgeben. Die Räumung der Häuser, deren Bewohner aus Sicherheitsgründen weg mussten, war in vollem Gange. Die dabei gezeigte Hilfsbereitschaft war beeindruckend.
Die Polizei hat einen Posten bei der Straßensperre eingerichtet. Passieren darf nur, wer eine Zufahrtsgenehmigung hat. Jedes Fahrzeug wird registriert und bei der Ausfahrt wieder von der Liste gestrichen. So weiß die Behörde jederzeit, wer im gesperrten Gebiet ist. Der Verkehr ist rege: Minivans, Fahrzeuge mit Anhänger, Kleintransporter und sogar Speditions-Lkw.
Nur das Wichtigste darf mit
Der Koch Herbert Prötsch hat sein Haus in wunderbarer Lage oberhalb der Seeuferstraße und mit Badeplatz von seinen Eltern geerbt und in den vergangenen Jahren mit großem persönlichen Einsatz renoviert. Am Sonntag um 22.00 Uhr hat er erfahren, dass er das Gebäude räumen muss. Bis Montag, 18.00 Uhr, muss er weg sein. Da kann er nur das Wichtigste mitnehmen: Dokumente, ein paar Bilder und Dinge, die ihm am Herzen liegen. Sein Chef hat ihm für die Räumungsarbeiten freigegeben. Freiwillige Helfer unterstützen ihn. Seine Lebensgefährtin Hilde sagt: "Das ist wie ein schlechter Film, ich habe das noch gar nicht so richtig begriffen." Das Paar hat zum Glück noch eine Stadtwohnung in Gmunden. Wann und ob es überhaupt wieder zurück ins Haus kann, ist ungewiss. "Wir hoffen doch, dass alles stehen bleibt", sagt sie.
Wettlauf mit der Zeit
Ein Linzer, der am "Gschliefgraben" einen Zweitwohnsitz hat, beauftragte eine Spedition mit der Räumung. Die Gegenstände aus dem ersten Stock können aber nicht mehr abtransportiert werden, dafür reicht die Zeit nicht mehr. Seine Frau: "Ich hole nur die Teddybären der Enkelkinder."
Der 70-jährige Landwirt Johann Möslinger verlässt sein Elternhaus. 300 Jahre steht sein Hof schon hier. "Schlecht geht es mir", sagt er und räumt noch Werkzeug in einen Anhänger. Seine Familie ist nicht mehr da. Auch ihm stehen Helfer zur Seite.
Hilfe bekommen haben auch Sabine Prachinger, die ihr Haus von ihren Eltern geerbt hat, und ihr Lebensgefährte Uwe Maiss. Sie und die anderen finden trotz der Eile beim Aufbruch Worte des Lobes: "Schreiben Sie, dass wir von allen Seiten Hilfe angeboten bekommen haben." Dass einer zu hören bekommen hat: "Da habt's es ihr Bonzen unterm Stein", ist ein Einzelfall. Alle berichten, sie hätten von Freunden, Nachbarn, Verwandten, der Feuerwehr, den Behörden und Wildfremden Hilfe bekommen: Fahrzeuge für den Transport, Plastikkisten, Stauraum zum Zwischenlagern der Sachen und Zimmer in Hotels und kräftige Hände, die mitanpacken.(